23 september 2012

Per Olov Enquist und die interpretierte Wirklichkeit im Roman

Per Olov Enquist wurde am 23. September 1934 in Hjoggböle in Västerbotten geboren, wo, nach Aussagen des Schriftsteller, die Bäume seine Nachbarn und seine Freunde waren. Da Per Olovs Vater, Elof Enqvist, berreits starb als der Autor gerade einmal ein Jahr alt war, wurde er von der Mutter, Maria Lindgren, allein aufgezogen. Maria, die nur Maja genannt wurde, war Volksschullehrerin und eine extrem gläubige Christin, was sich letztendlich auch auf die Werke von Per Olov Enquist auswirkte, der den Glauben übernahm.

Mitte der 50er Jahre wollte Enquist noch Sportler werden, da er außerordentliche Leistungen im Hochsprung brachte, aber nach seinem Studium an der Universität Uppsala wandte er sich der Hochschullehre und dem Journalismus zu, wobei er insbesondere für die Kulturseiten des Svenska Dagbladet und den Expressen schrieb.


Per Olov Enquist begann seine schriftstellerische Karriere mit dem Buch Kristallögat (Das Kristallauge) im Jahre 1961, einer Novelle, die zu jener Zeit nahezu unbemerkt blieb. Erst drei Jahre später gelang ihm mit Magnetisörens femte vinter (Der fünfte Winter des Magnetiseurs) der Durchbruch, einem Roman, der er in Deutschland handeln ließ und einem Magnetiseur die Kraft gibt ein blindes Mädchen zu heilen. Allerdings holt den „Heiler“ durch seine Berühmtheit auch seine Vergangenheit ein.

Magnetisörens femte vinter
wird später verfilmt und verhilft Per Olov Enquist zu einer internationalen Karriere. Auf Grund des Erfolgs des Themas lässt Enquist in mehreren Folgebüchern immer wieder Krankheiten, Ärzte und Wunder auftauchen, was ihn nahezu zu einem medizinischen Experten unter seinen Lesern macht, obwohl die Kritiker immer wieder darauf hinweisen, dass der Schriftsteller Dinge als belegte Tatsachen darstellt, die nur in seiner schriftstellerischen Fantasie der Wahrheit entsprechen. Per Olov Enquist überzeugt seine Leser durch die religiös-mystische Seite seiner Erzählungen.

Während die Kritiker die Einflechtung von angeblichen Tagesbuchaufzeichnungen und Hinweise auf nicht existierende Dokumente in Enquists Werken noch als schriftstellerische Freiheit akzeptieren, ist dies bei den historischen Romanen und Biographien weniger der Fall, da hier Per Olov Enquist seine persönliche Meinung dominieren lässt und dabei den Leser glauben lässt, dass es sich um Fakten handelt. Diese Methode des Schreibens bringt ihm jedoch Ruf und Achtung, da seine Leser gerade das Verwischen zwischen Tatsache und Fiktion suchen, da Enquist damit eine neue Wahrheit aufstellt und von vorgegebenen Bahnen abweicht.

Per Olov Enquist bleibt jedoch nicht nur beim Journalismus und der Schriftstellerei, sondern beweist auch, dass er als Dramatiker Erfolg hat, denn er schrieb für das Fernsehen das Manuskript für den Film Strindberg, Ett liv (Strindberg. Ein Leben) und arbeitete mit Ingmar Bergman am Stück Bildmakarna am Dramaten in Stockholm. Mehrere seiner Dramen, die er ab 1975 schrieb, haben einen durchschlagenden Erfolg.

Im Jahr 2008 erschien dann Ett annat liv, die Autobiographie des Schriftstellers Per Olov Enquist, in dem er in der dritten Person über sich schreibt. Das 552 Seiten umfassende Werk wird von den Lesern auf zwei Arten aufgenommen, nämlich als das Werk eines Genies, oder als das Buch eines Narzissen, der sich ständig selbst loben will und sich mit 200 Seiten begnügen sollen hätte. Für Ett annat liv (Ein anderes Leben) erhält der Schriftsteller dann seinen zweiten Augustpreis (Augustpriset), die höchste Auszeichnung Schwedens für einen Schriftsteller.

Dass Per Olov Enquist bei einer fixen Idee nicht aufgibt und seine Meinung verficht, erkennt man am besten am Kulturjournalisten Enquist, denn seit dem Tod von Olof Palme  behandelt er die Morduntersuchung in jeder Art von schriftlicher Ausdrucksweise. Seit über 20 Jahren erklärt der Autor seine persönlichen Beobachtungen zum Mord und lässt die Diskussion nicht sterben.

Eine Frage, die bei Enquist immer wieder auftaucht, ist auch die Frage, ob Per Olov Enquist ein Regionalautor ist, denn nicht nur dass der streng religiöse Glaube der Dörfer aus Västerbotten immer wieder in seine Werke einfließt, Enquist lässt mehrere Werke in seiner Heimat handeln, er benutzt die Redewendungen und den Dialekt aus Västerbotten und er zitiert Auszüge aus religiösen Werken, die aus Västerbotten kommen. Aber macht all dies Enquist zu einem regionalen Autor?

Per Olov Enquist wurde mit Livläkarens besök (Der Besuch des Leibarztes) und Nedstörtad ängel in die Liste der 1000 schwedischen Klassiker aufgenommen und zählt daher noch zu Lebenszeit zur klassischen Literatur Schwedens.

Der Schriftsteller war dreimal verheiratet. Seine erste Ehe ging er mit der Volkschullehrerin Margareta Ersson ein, die zweite Ehe führte er mit der dänischen Schriftstellerin Lone Bastholm und gegenwärtig ist er mit der früheren Staatssekretärin Gunilla Thorgren verheiratet.

Copyright: Herbert Kårlin

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